Wagnis I am Ackermannbogen
Nachbarschaftliches Wohnen in einem Mehrgenerationen-Modell in München
Projekteinreicher: Wohnungsbaugenossenschaft wagnis eG
Anonymität, Vereinzelung, unzureichende soziale Sicherheit und Nachbarschaften, fehlende Begegnungsräume für Jung und Alt, die Angst vor dem Alter und dem „Altersheim“ waren genügend Gründe für 22 Münchner Einwohner im Jahr 2000 die Wohnungsgenossenschaft ‘wagnis eG’ zu gründen. Ihren Traum von einem achtsamen Leben in überschaubarer Nachbarschaft mit Menschen unterschiedlichster Biografien und jeden Alters haben sie mit dem neuen Quartier am Ackermannbogen Wirklichkeit werden lassen. Aus den ersten Initiativen Anfang der 1990er Jahre ist das größte selbstorganisierte und partizipative, nachhaltigorientierte Wohnprojekt Deutschlands entstanden. In drei Jahren konnte das Projekt von vier Häusern und Gemeinschaftseinrichtungen wie Nachbarschaftsbörse, Speisecafe, Spiel- und Kulturpassage zusammen mit den künftigen Bewohnern entwickelt und in weiteren zwei Jahren (2005) fertig gestellt werden. In allen Häusern mischen sich frei finanzierte und geförderte Wohnungen, liegen Genossenschaftswohnungen (72%) neben Eigentumswohnungen. Die Genossenschaft, welche schon in der Planungsphase in selbstorganisierten und selbstverwalteten Hausgemeinschaften das gemeinschaftliche und generationenübergreifende Wohnen sichert, bildet das „Dach“ des Projektes. In der Hausbewirtschaftung ist ein für alle Mitbewohner vorteilhaftes geldloses System der Aufgabenverteilung entwickelt worden. Alle Bewohner haben ca. 5% ihrer Wohnungsfinanzierung für Gemeinschaftsflächen eingebracht. Eine Herausforderung war der gemeinsame Beschluss, dass alle arbeitsfähigen Erwachsenen 85 Stunden im Verlauf von neun Monaten Eigenarbeit am Bau leisten müssen. Es wurden Gewerkegruppen gebildet für z.B. Malerarbeiten, für das Montieren von Kellerwänden, Holzböden auf den Balkonen, für Reinigungs- und Außenraumarbeiten u.a. Im ersten Bauabschnitt hat ‘wagnis’ die Räume für ein Nachbarschaftscafe mit 60 Plätzen, einen Bewohnertreff und einen Laden für alle im Quartier gebaut. Darüber hinaus gibt es Gästeappartments, Gemeinschaftsterrassen, Gemeinschaftsgärten, öffentliche und interne Plätze sowie Gewerbeeinheiten, die von der wagnis GmbH betreut werden. Das Speisecafe Rigoletto und der Bewohnertreff = Nachbarschaftsbörse sind inzwischen zum Quartiersmittelpunkt geworden. Hier finden nicht nur diverse Kurse und Hausaufgabenbetreuung statt, sondern es haben sich viele quartiersweite Einzelinitiativen, wie Jogging, Joga, Malkurs, Nähen, Garten entwickelt, Chöre und Theatergruppen gebildet. Regelmäßige Haus- und Projektgruppen sorgen für Transparenz und Aufgabenverteilung. Inzwischen werden auch die Bewohner der umliegenden Sozialwohnungsblocks und Eigentumswohnungen in die Projekte einbezogen. Das Besondere an ‘wagnis’ ist: wohnen und arbeiten in gemeinschaft, nachbarschaftlich, innovativ und selbstbestimmt – in einem Siedlungsverbund, in dem viele Wohn- und Lebensformen möglich sind. Wer nicht wagt und sich für die eigene und gemeinsame Sache einsetzt, gewinnt auch nicht!
Aus der Laudatio der Jury
Menschen aus unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen und wirtschaftlichen Hintergründen bilden eine Interessengemeinschaft für ein zukunftsfähiges, urbanes, nachhaltiges Wohnen für Jung und Alt. Die Bewohner nehmen von Anfang an am Planungs- und Bauprozess partizipativ je nach ihren individuellen Ressourcen und Kompetenzen teil. Das Projekt legt jedoch nicht nur Wert auf Vernetzung, Kooperation und Nachbarschaft zwischen den im Projekt beteiligten Personen, sondern richtet sich auch an die Bewohner der umgebenden Siedlungsbereiche. Wagnis I verbindet das Modell der Genossenschaft mit Partizipation, generationsübergreifender Zusammenarbeit, Einbeziehung sozialer Infrastruktur und Öffnung zum sozialen Umfeld. Das Projekt überzeugt nicht zuletzt durch seine architektonische Gestaltung und seinen Ansatz der Nachhaltigkeit.
Projektbeteiligte: Nachbarschaftsbörse; Ackermannbogen e.V.; Speisecafe Rigoletto GmbH